PR als Beruf heißt “Themen auf den Punkt bringen”

Für das Medienprojekt “Wir Wählen” habe ich im Sommer 2019 ein Interview gegeben. Herzlichen Dank an die Redaktion für die Erlaubnis zum Abdruck auf meiner Webseite.

Horst Martin ist gelernter Print- und TV-Journalist. Seit 2004 arbeitet er schwerpunktmäßig in der PR – zunächst als Pressesprecher in renommierten Filminstitutionen, heute als Inhaber eines Berliner PR-Büros. Mit ihm sprachen junge RedakteurInnen von „Wir Wählen“.

Das Highlight des Seminars: eine Pressekonferenz der Studierenden

Sie unterrichten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit seit 2009 an der renommierten Goethe-Universität in Frankfurt. Das Programm heißt Buch- und Medienpraxis. Was ist wichtig, wenn man in den PR-Beruf möchte?
Man muss – ähnlich wie als Journalist oder Politiker – ein echtes Interesse an Themen und Menschen haben. Wer bei der Berufswahl primär ein hohes Einkommen oder eine planbare Karriere anstrebt, sollte es sich gut überlegen. Am besten geht man in die Kommunikation, wenn man für „etwas brennt“. Das versuche ich zu vermitteln.

Welche Fähigkeiten sind in der Kommunikation gefragt?
Themen auf den Punkt zu bringen – das ist die Kunst in Wort und Schrift. Wie bei jeder anderen Kunst verbirgt sich dahinter relativ viel Handwerk, das man glücklicherweise erlernen kann. Das gilt fürs Schreiben ebenso wie für Reden. Ich bekomme übrigens oft das Feedback, dass Seminarteilnehmende sich danach viel sicherer beim Schreiben oder auch bei Vorträgen oder Präsentationen fühlen.

Sie haben gerade Ihr zehntes Seminar an der Goethe-Universität beendet. Wie haben sich die Studierenden verändert?
Darauf kann man nicht pauschal antworten. Aber eine Sache ist mir aus dem ersten Jahrgang noch stark in Erinnerung: Einige Studierende hatten damals eine sehr kritische Grundeinstellung zu PR, die sie für unlautere Propaganda hielten und unter Generalverdacht stellten. Das ist mir im Laufe der Jahre immer weniger begegnet. Zuletzt ging es meist darum, das Handwerk schnell und effektiv zu erlernen – und weniger, die PR selbst zu hinterfragen.

Ist das gut?
PR gehört zu unserem Alltag, wir haben uns daran gewöhnt. Alle machen PR: Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen genauso wie Unternehmen, Parteien oder Kulturanbieter. Bei PR ist das Glas immer halbvoll und der Inhalt lecker, beim Journalismus immer halbleer und macht oft Kopfschmerzen. Die Wahrheit liegt oft irgendwo in der Mitte – oder muss gefunden werden. Das gehört zur Demokratie. Worauf wir aber alle achten müssen ist: In Zeiten von Fakenews und Hatespeech sollten wir alle darum kämpfen, dass Lügen und Gewaltaufrufe nicht unwidersprochen stehen bleiben.

Sie engagieren sich mit Wahlaufrufen. Was ist das Ziel?
Wir beobachten – ob beim Brexit oder dem Phänomen Trump–, dass in den westlichen Demokratien ein Drittel der Wählerschaft genügt, um einem haarsträubenden Populismus eine Mehrheit zu verschaffen. Je höher die Walbeteiligung, desto stärker sind die demokratischen Kräfte. Das dramatische ist: Es kommt zurzeit auf jede Stimme an – ob bei Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen. Leider mobilisieren die Populisten effektiver – das muss man ändern.

Warum ist es wichtig, dass gerade Menschen mit Migrationshintergrund wählen gehen und sich in der Politik einbringen?
Eine funktionierende Demokratie braucht alle. Deutschland als Einwanderungsland verdankt seinen Wohlstand auch den Menschen, die hierherkommen. Sie und ihre Kinder sind ein wichtiges Kapital für die Zukunft. In den meisten Gesellschaftsbereichen sind beispielsweise Aussiedler gut angekommen – nur in zweien unterrepräsentiert: Politik und Medien! Das gilt natürlich auch für Migrantengruppen wie dem Gastarbeiterfamilien. Das müssen wir ändern.

Alle suchen gerade nach der Zauberformel gegen Populisten. Was steckt hinter dem FÜR-Ansatz bei Wir Wähhlen?
Polarisieren, spalten, hetzen – das sind die Strategien der meist rechten Populisten. Lösungen bieten die Parteien und Politiker in der Regel nicht an. Sie sind immer dagegen: Flüchtlinge, Offenheit, Europa. Aber für was stehen sie? Wer sich FÜR etwas ausspricht, kann aktiv bloßstellen, dass diese Kräfte nichts Gutes erschaffen können. Die Sozialen Medien – sowas wie die digitalen Marktplätze und Stammtische – darf man nicht den Hetzern und Brandstiftern überlassen.

Danke für das Gespräch.

Zur Person:     
Horst Martin, Jahrgang 1973, hat Politik, Philosophie sowie Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft an der Universität zu Köln studiert. Er verfügt über 25 Jahre an Berufserfahrung im Bereich Kommunikation: als Journalist in Print, TV und Neuen Medien; als Pressesprecher und PR-Profi in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur. Über ein Zeitungsvolontariat erfolgte sein beruflicher Einstieg. Tätigkeiten bei Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Newsportalen, Teletext und TV-Sendungen folgten. Sein Weg in der PR führte vom sozialen (Caritas) über den wirtschaftlichen (AXA) und politischen (Ludwigsburg) in den kulturellen Bereich. Von 2004 bis 2010 leitete er die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Filminstituts, das unter anderem das Filmmuseum in Frankfurt betreibt. Heute führt er ein Pressebüro, zu dessen Kunden unter anderem die ARD Degeto und führende Institutionen der Filmwirtschaft gehören.