Tagesseminar für Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall Jena-Saalfeld und Gera
- Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee: Keine existentielle Wirtschaftskrise erwartet
- Prof. Dr. Klaus Dörre: In den Belegschaften wachsen die Sorgen um die Zukunft
- IGM-Bevollmächtigte Wolf: Kampf gegen Stellenkürzungen, Verzichtsforderungen und Verlagerungen
Jena (15. Oktober 2020) – Aus Sicht von Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee kann die Thüringer Wirtschaft möglicherweise schon Ende 2021, Anfang 2022 bei Umsatz und Beschäftigung wieder Vorkrisenniveau erreichen. „Auch wenn die Infektionszahlen derzeit wieder steigen, bin ich überzeugt davon, dass uns der Fall in eine wirklich tiefe, existentielle Wirtschaftskrise erspart bleiben wird“, sagte der Minister heute in Jena. Allerdings zeigten Wirtschaftsindikatoren wie auch aktuelle Stimmungstests in der Wirtschaft derzeit ein ambivalentes Bild. „Während die Logistik beispielsweise überwiegend gut durch die Krise kommt, ist die Automobilindustrie in schwerem Fahrwasser“ – was allerdings nicht allein auf Corona, sondern auch auf den ohnehin laufenden Transformationsprozess in der Branche zurückzuführen sei. Als Gast sprach Tiefensee am heutigen Donnerstag, 15. Juni, zur aktuellen Lage zu Teilnehmenden eines Tagesseminars für Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall in Jena.
„In den Belegschaften wachsen die Sorgen um die Zukunft“, sagt der Soziologe Prof. Klaus Dörre. Nach einer aktuellen Erhebung eines Forschungsteams um Prof. Dörre erwarteten 40 % der befragten Unternehmen in der Region, dass sich ihre Lage bis zum Herbst verschlechtern werde. Besonders negativ sind die Prognosen im verarbeitenden Gewerbe: Eine Mehrheit der Unternehmen erwartet Verschlechterungen (51%). „Die Zahlen zeigen, dass Beschäftigungsrisiken speziell in der Auto- und Zulieferindustrie zunehmen“, so Prof. Klaus Dörre. Der Soziologe warnt davor, Krisenlasten allein den Belegschaften aufzubürden. Das wäre kurzsichtig. „Unternehmen müssen – gerade aus eigenem Interesse – zu ihrer Belegschaft stehen, denn qualifizierte Arbeitskräfte sind knapp. Wer sie jetzt nicht pfleglich behandelt, wird nach der Krise größte Probleme haben“, so Prof. Dörre.
„In der aktuellen Situation sind unsere Betriebsrätinnen und Betriebsräte besonders gefordert. Sie müssen mit Arbeitgeber*innen auf Augenhöhe über die Zukunft der Beschäftigten verhandeln und dabei unterstützt die IG Metall sie sehr umfassend. Stellenkürzungen, Verzichtsforderungen und Verlagerungen können keine Option sein, um kurzfristig Kosten zu senken. Die Transformation der Metallbranche muss mit den Beschäftigten erfolgen – und nicht auf ihre Kosten. Gemeinsam bereiten wir uns auf einen heißen Herbst vor!“, so Franziska Wolf, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Jena-Saalfeld und Gera.
Tiefensee lehnt totalen Lockdown ab
Einen neuen totalen Lockdown lehnte Wirtschaftsminister Tiefensee erneut ab – stattdessen könne es künftig aber „lokal und einzelfallbezogen eng begrenzte Eindämmungsmaßnahmen geben“. „Die Wirtschaft braucht vor allem eines: Planbarkeit und möglichst große Klarheit über die weiteren Perspektiven.“ Dazu müsse auch die Politik beitragen. Darüber hinaus biete die Corona-Krise den Unternehmen allerdings auch Chancen, Prozesse auf den Prüfstand zu stellen, andere Perspektiven einzunehmen und neue Lösungen zu finden. „Es muss uns gelingen, die Krise dafür zu nutzen, mit Innovationskraft und Optimismus in die Zukunft aufzubrechen. Das geht am besten in einem engen Miteinander von Betrieben und Belegschaft”, so Tiefensee.
Tagesseminar für Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall
Mit dem Tageseminar bereitet die Gewerkschaft ihre Betriebsräte und Vertrauensleute auf mögliche Auseinandersetzungen bis zu Tarifkonflikten und Streiks vor. Fachreferent*innen sprechen zu Krisenfrüherkennung, Gestaltung betrieblicher Transformationsprozesse, Betriebsänderung, Interessenausgleich, Sozialplan und Transfergesellschaft. Die Tagesschulung ist ein Kooperationsseminar der IG Metall Gera, Jena-Saalfeld und dem DGB-Bildungswerk Thüringen e.V. und gibt den Startschuss für eine kompakte, aus aktuellem Anlass aufgelegte Bildungsreihe.
Die IG Metall Gera und Jena-Saalfeld vertritt über 15.000 Mitglieder in Ostthüringen. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen der Arbeitswelt in den Bereichen Metall- und Elektroindustrie, Textilindustrie, textile Dienste, Holz- und Kunststoffindustrie sowie den dazugehörigen Handwerken.